Geballte Ladung

Mein Vater hatte ein paar Kilo zugelegt. Sein Gesicht durchzogen tiefe Sorgen und Stressfalten. Ein Blick in seine blauunterlaufenen Augen ließ mich frösteln. Er ist nicht nur alt geworden sondern schien innerlich zerstört. Trotzdem schreit er  kräftiger Stimme meinen Bruder an, der völlig desinteressiert an der Unterhaltung am Tisch saß. Meine Mutter war bleich und ihr Körper vom Stress aufgedunsen. Ihre Haare zeigten graue Strähnen, die in alle Richtungen abstanden. Ihre rechte Hand presste sie auf die Stelle am Bauch, wo einst ihre Entzündung war. Verzweifelt trocknet sie ihre Tränen. Hime klammert sich an meine Hand. Auch sie ist den Tränen Nahe. "Schau doch was du deiner Mutter antust! Ist dir ihre Gesundheit völlig egal. Sie hat wegen dir nicht ihre Kur angetreten. Oder schau Hime an. Ist sie dir auch egal? Schau sie an und entschuldige dich bei ihr!" Mein Bruder hob den Kopf und nuschelte ein "Entschuldige". Die Unterhaltung und die Stimmung ließ ihn völlig kalt. Meine Familie und all ihre Probleme, Fehler und Schwächen geballt an einen Tag zu erleben ließ alle schlechten Erinnerung auf mich einstürzen. Verzweifelt versuchte ich nicht zu spüren. Wenigstens die nächsten zwei Stunden musste ich stark sein.
Mein Vater ging ohne etwas erreicht zu haben. Meinem Bruder schien alles egal zu sein. Meine Schwester zog sich auf ihr Zimmer zurück. Sie war bleich und beängstigend still. Als ich in ihrer Hand die Kopfschmerztabletten (zumindest hoffte ich das) sah wusste ich dass sie sich voll dröhnen würde um den inneren Schmerz zu mildern. Meine Mutter nahm mich beiseite: "Yuuki, du willst nicht hier bleiben oder? Das ganze nimmt dich mit" Erstaunt blickte ich sie an. Normal hafteten ihre sorgenvollen Blicke an Hime. "Nein Mum, ich gehe in meine Wohnung nach dem grillen. Das ganze tut mir nicht gut." Sie nickte verständnisvoll und schien nicht böse zu sein, dass ich ihre Bitte da zu bleiben nicht nach kam. "Ich muss auch mal auf mich achten" Sorge breitete sich plötzlich auf ihren Gesicht aus "Yuuki magst du die Stimmung im Haus nicht. Bist du eigentlich gerne daheim?" Ich schüttelte den Kopf. "Mum ich habe Angst zurück zu fallen. ich bin schon so weit gekommen und das Haus - die Stimmung tut mir nicht gut." Zögernd nahm sie mich in den Arm, als hätte sie angst davor ihr Kind zu trösten. "Wir sollten mal über deine Bulimie reden!" 
Ich hatte ihr nie davon erzählt!

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