Don´t leave me

Ich fiel aus dem Prüfungsauto und hatte Lust den Boden zu küssen. Bestanden, stand dick und fett auf dem Zettel. Somit hatte ich schon eine Prüfung hinter mir. Jetzt hieß es für mich, nie mehr Stress, wegen den Abfahrtszeiten der Bahn. Glücklich summend schlenderte ich mit meiner Mutter noch durch  die Altstadt, bis wir dann nach Hause fuhren. Dort packte ich hektisch meine Klamotten und die nötigsten Bad-Sachen zusammen. Meinen Laptop, den ich fast immer dabei hatte, falls mich die Lust zum schreiben überkommt, passte gerade noch so in die Tasche. Heute würde ich Makoto wieder sehen. Auch wenn es die Tage davor etwas mit der Kommunikation gehapert hatte, war mein Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung ein stechender Schmerz. Der mir auch ab und zu böse Worte entlockte und meine Gedanken völlig aus der Bahn warf. Garstige Kommentare, die über Whatsapp fielen, trübten die Stimmung zwischen uns. Knappe Wortwechsel, die mich nicht befriedigten. Achtlos hingeworfenes Fressen für meine kranke Angst verlassen zu werden. Doch heute wird alles weggewischt. Wieder für ein paar Tage in die hinterste und dunkelste Ecke meiner Seele gekehrt, wo sie hoffentlich länger als zwei Tage bleiben. Doch dem sollte wohl nicht so sein. Der ganze Abend geriet außer Kontrollen, das einzige was blieb waren Tränen und zärtliche Umarmungen. 

Makotos Bruder feierte seinen 18.ten und wir waren eingeladen, was ich wegen dem Abi Stress völlig verplant hatte. Wie so oft in letzter Zeit, was gar nicht meine Art war. Also gingen wir noch schnell in die Stadt um ein Geschenk zu besorgen. Händchen haltend und uns gegenseitig neckend liefen wir durch das Einkaufscenter. Erschöpft von dem Auf und Ab meiner Gefühle heute, gewann die Müdigkeit die Überhand. Ich legte den Kopf auf seine Schulter. "Schatz wenn ich mir eine übernatürliche Kraft aussuchen könnte, würde ich gerne die Fähigkeit besitzen, die Zeit zurück zu drehen. Wenn ich das könnte würde ich den Orgasmus immer und immer wieder abspielen. Kommen, den Moment genießen und dann wieder ein paar Sekunden davor anfangen. Das wäre perfekt." Lächelnd schaute er mich an: "Schatz du bist verrückt und pervers" Ein aufmüpfiges "Pfff" meinerseits, bevor er mir einen Kuss auf die Lippen drückte. "Und dafür liebe ich dich"

Die Musik dröhnte im Hintergrund, aber die peinliche Stille von 2 Minuten konnte sie nicht überspielen. Mir blickten 10 unbekannte Gesichter entgegen. Normal wäre mir das unangenehm so viele fremde Leute um mich rum zu haben, doch ich hatte schon genug Alkohol gekippt um die Lust zu entwickeln, sie kennen zu lernen. Ich unterhielt mich, fragte nach und erzählte von meiner  geplanten Australienreise. Makoto kippte einen Barcadibul nach dem anderen. Er war eigentlich ganz süß wenn er angetrunken war. Doch über diesen Punkt war er lang hinausgeschossen. Lallend packte er mich von hinten und zog mich auf seinen Schoß. Sein Alkoholatem schlug mir ins Gesicht: "Schatz ich will dich. Jetzt!" Seine Hände umschlossen mich und streiften an meinen Oberschenkel nach oben. Ich packte seine Hand und legte sie wieder auf meine Taille. "Nicht jetzt" Sein enttäuschter Blick verwunderte mich, er meinte es wirklich ernst. "Warum nicht?" lallte er ganz nah an mein Ohr. Seine Hände glitten wieder nach unten. "Ich will jetzt nicht" Die Vorstellung wie er mich betrunken ins Bett warf und mich auszog war schrecklich. Der Blick auf mir, als wäre ich ein billiges Objekt. Die unkontrollierten Küsse, die hektische Rumfummelei. Einfach nur ficken. Dahinter steckt kein Gefühl, keine Liebe es sind einfach nur Triebe, die da vorherrschen. Alkohol benebelt die Sinne und das Feingefühl, Männer werden grob und können Scherz und Ernst nicht mehr auseinander halten. Das ist kein Sex den ich haben möchte, nicht wenn meine Sinne noch glasklar sind. Makoto fing an meinen Nacken zu küssen. An meinen Ohr angekommen säuselte er betrunken: "Das wird der beste Sex deines Lebens, dass versprech ich dir" Mein Herz fing an wie wild zu klopfen, ich bekam Panik, ich wollte nicht. "Ich will aber nicht", sagte ich etwas lauter als gewollt. Es wurde kurz still. Diese zufällige Stille, wenn alle im Raum im selben Moment eine Pause im Gespräch einlegen. Hatten sie das gehört? In diese Stille fing Makoto an: "Dann lass uns Dirty Talk führen. Stell dir vor, wie ich dich ausziehe. Dich überall küsse. Ihn raus und rein, raus und rein..." Mit ansteigender Begierde wurde er immer lauter. Ich hielt ihm den Mund zu, so etwas wollte ich jetzt nicht hören. Und die Mädchen neben uns auf dem Sofa sicher auch nicht. "Nein!", ich schaute ihn böse an, mein Herz pochte. Er verstummte und wirkte verletzt: "Schau mich bitte nicht so böse an" flehte er wie ein kleiner Junge der wusste, dass er was Falsch gemacht hatte. "Du musst einfach auch trinken. Ich verspreche dir, wenn ich nachher noch angetrunken bin, wird das der beste Sex deines Lebens" Warum verstand er das nicht, ich wollte kein Sex, ich wollte Liebe. Ich wollte einfach nur geliebt werden.
Vodka, Jägermeister, Barcadi pur, es floss in Strömen die Kehle von Makoto hinunter. Er schlief auf dem Sofa neben mir ein. Als ich ihn wachrüttelte, bewegte er seinen Kopf schwerfällig in meine Richtung. Seine Augen waren leicht verdreht und schauten mich nur kurz an. Dann knickte sein Kopf wieder nach hinten. Die Kontrolle über seinen Körper hatte er eindeutig verloren. Heute würden wir nicht mehr nach Hause laufen können. Wohl oder übel mussten wir hier schlafen. Wut kroch in mir hoch, jetzt musste ich um 7 Uhr aufstehen. Meine Sachen bei ihm holen und rechtzeitig daheim sein, wegen den Bewerbungstermin. Scheiße, warum trinkt er immer bis er kotzt. Ich fragte sein Bruder, ob er mir hilft ihn hoch ins Bett zutragen. Wir packten ihn unter den Armen und an den Füßen. Wie ein nasser Sack hing er in den Armen, sein Fuß fiel aus Versehen runter, doch er gab nicht einen Mucks von sich. Stockbesoffen, wie ein Toter lag er im Bett. Ich überlegte kurz ob ich im Zimmer bleiben sollte. Er zeigte keine Reaktionen mehr, er könnte an seiner Kotze ersticken und es nichtmal merken. Doch ich hatte genug, musste ich jetzt auch noch Verantwortung für ihn übernehmen. Kann ich den nicht mal einen Abend ohne Verantwortung verbringen. Einfach mal los lassen, mit dem Wissen das alles klappt. Schnell deckte ich ihn zu und verließ das Zimmer, bevor ich es mir anders überlegte. Rauchen, trinken und lachen. Diskussionen über Karate, Kickboxen, Australien und das anstehende Abitur. Bis um drei Uhr genoss ich meinen einzigen freien Abend diese Woche. Gähnend verabschiedete ich mich von den Gästen und lief zu meinen Freund. Das Bett war leer. Im Bad brannte Licht und wie immer war abgeschlossen, wenn er kotzend über dem Klo hing. Ich hämmerte gegen die Tür, doch bekam keine Antwort. Warum antwortet er nicht.  Er könnte hyperventiliert haben oder doch an seiner Kotze erstickt sein. Noch mehr Wut sammelte sich in meinem Bauch an. Wie immer schluckte ich sie runter, atmete aus und ein, alle bösen Gedanken wegdrücken. Du solltest dir Sorgen machen. Wütend zu sein ist keine Lösung und macht die Situation nicht besser. Kontrollier dich, flüsterte es in meinen Kopf, doch scheiße ich wollte wütend sein. Ich wollte austicken und ihn beschuldigen. Was war mit seinen süßen Worten, dass er neben mir einschlafen und wieder aufwachen will. Mich ihm Arm halten wenn ich schlaf? Und wo warst du jetzt? Ich brauch das jetzt. Ich brauch dich!. Kontrollier dich du weinerliches Miststück. mischte sich die Stimme im Kopf wieder an. Mit den Enttäuschungen konnte ich mich später befassen. Als ich zu ihm ins Bad trat, wurde mir kotz übel. Es stank nach Kotze. Sie war überall, an seinen Klamotten, in seinen Haaren, der Boden, das Wachbecken und er stand mittendrin. Total aufgelöst, heulend: "Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr" wiederholte er immer wieder. Ich nahm ihn in den Arm, er brach zusammen: "Schatz ich wollte mir die Pulsadern aufschlitzen. Ich hätte einfach an meiner eigenen Kotze ersticken sollen" Fest drückte ich seinen Kopf an meine Schulter, streichelte seinen Rücken. "Ich will nach Hause. Ich ruf mein Stiefbruder an. Ich will nach Hause" Ich war noch nicht stark genug, noch nicht bereit dafür. Zwei weitere kranke Personen, die ich unterstützen muss. Mich selber noch. Wie soll ich das hinbekommen? Aber irgendwie bekomme ich alles hin. Muss. Sanft küsste ich seine Stirn "Ich bin da Schatz. Ich brauch dich, also bleib bei mir" Sein Atem kam stoßartig, viel zu schnell. Panikattacke. Ich fühlte mich hilflos, versuchte ihn zum ruhigen Atmen zu zwingen. Wischte seinen Tränen und Kotze weg. Hielt ihn fest, lies ihn nicht los. Vorwürfe überschlugen sich in meinen Kopf. Ich hätte bei ihm bleiben müssen. Was habe ich mir dabei gedacht so egoistisch zu sein. Selbsthass, Angst, Panik überrollten mich, reißen mich runter, zerren mich in das dunkle Loch. Völlige Leere, mechanischen Handel, das Richtige tun. Ich packte unsere Sachen zusammen während seine Mutter ihm die Kotze aus den Haaren wusch. Sein Stiefbruder stand mit dem Auto schon vor der Tür. Makoto löste sich heulend aus den Armen seiner Mutter und schaukelte die Treppe runter. Seine Mutter nahm mich in den Arm, "Das ist alles nicht so einfach. Aber das wird schon wieder" steif stand ich da und sah die Tränen in ihren Augen. "Ich pass auf ihn auf. Ich bekomm das hin", brachte ich hervor. Widerwillig löste sie die Umarmung. Mir war es unangenehm.
Makoto duschte noch. Ich stand vor dem Spiegel, spritze mir Wasser ins Gesicht. Die Leere verschwand. Tränen vermischten sich mit dem Wasser und flossen den Abfluss hinunter. Verschwanden ins Nichts, wurden unsichtbar, genau wie meine Wut. Erschöpft lege ich mich ins Bett. Makoto zog mich nah zu sich und ich entglitt in eine traumlose Nacht. 

1 Kommentar:

  1. Ja, du hats Recht. Ich weiß, dass ich gesund werden werde. Danke, dass du an mich glaubst!
    Ich weiß ja selbst, dass es schlecht ist, wenn ich solche Gedanken zulasse, aber würde ich behaupten ich sei im Moment total auf der "Gesund-Schiene", wäre das eine Lüge...manchmal gehts einfach nicht.

    <3

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