Nur ein Kind

Ich schritt durch den Flur des Krankenhauses, bis ich am letzten Zimmer angekommen war. Nach kurzem Klopfen trat ich ein. Meine Mutter lag blass in ihrem Bett und blickte kurz in unsere Richtung, bevor ihre Augen wieder zu fielen. Der Anblick schockte mich diesmal nicht sowie beim ersten Mal. Es ließ mich fast kalt. Vielleicht weil ich es hab kommen sehen. Der Geruch nach Desinfiktionsmittel und Raumauffrischer, wie in einem billigen Waschsalon stach mir in die Nase. Es war ein Doppelzimmer und die alte Dame im Bett nebenan hatte gerade Besuch. Ich nickte kurz als Begrüßung und setzte mich auf die Bettkante meiner Mutter. Sie lächelt: "Ich habe gerade die nächste Spritze bekommen, tut mir Leid wenn ich nicht so viel rede. Aber ich bin froh das ihr alle drei gekommen seit." Sie versuchte ihren Kopf zu heben, versagte und blieb ins Kissen gedrückt liegen. Ich nahm ihre Hand und schaut sie eine Weile einfach nur an. Sie sah so zerbrechlich und krank aus. Die Infusionsnadel hinterließ auf ihrer bleichen Haut einen lila-blauen Bluterguss, welcher sich den Unterarm entlang zog. Während ich sie so sah, wurde mir bewusst, dass ich keine Angst hatte. Sie würde in ein paar Tagen wieder daheim sein. Und wahrscheinlich in einer Woche wieder arbeiten gehen. Das Einzige was ich verspürte war Wut. Wut wie dumm und verantwortungslos sie gegenüber ihrem Körper war. Sie würde einfach weiter machen und ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Ohne auch nur einen Moment drüber nachzudenken, was es für sie bedeutet. Der Körper hat seine Grenzen, dann ist es vorbei mit dem fröhlichen Leben. Ich verstand es nicht, wie sie nur ans Geld denken konnte. Immer mehr und weiter arbeiten ohne sich mal Ruhe zu gönnen. Ruhe die sie eigentlich braucht. Uns geht es doch gut genug, etwas kürzer treten wäre kein Problem. Aber jedes Wort meinerseits prallt an ihr ab. Ich bin halt doch nur ein Kind in ihren Augen.

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